Rechtliches

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Auch Schulreformen müssen Recht und Gesetz achten …


Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) zielt nicht primär auf Deutschland …

Anliegen der UN-BRK war, allen Menschen mit Behinderung u.a. ungehinderten Zugang zum allgemeinen Bildungswesen ermöglichen – zu Recht, denn in vielen Ländern waren behinderte Kinder bislang vom öffentlichen Schulbesuch ausgeschlossen.
Deutschlands Förderschulen sind derjenige Teil des allgemeinbildenden Schulsystems, der gesellschaftliche Teilhabe durch spezifische Unterstützung herbeiführen soll ; solche besonderen Maßnahmen gelten laut Konvention (BRK, Art. 5, Abs. 4) aber gerade nicht als Diskriminierung. Weiterhin soll bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, das Wohl des einzelnen Kindes vorrangig berücksichtigt werden. (BRK, Art. 7, Abs. 2).    Vertragstext
Nirgendwo wird in der BRK gefordert, Sonder- und Förderschulen oder -klassen abzuschaffen. Auch gelten weiterhin die Art. 5 und 18 der UN-Kinderrechtskonvention (elterliche Verantwortung & Erziehungsrecht).
Darüber hinaus gibt es „Allgemeine Bemerkungen“ (general comments), diese haben aber keinerlei Rechtsverbindlichkeit, und weder die Mitglieder des UN-Fachausschusses noch die der deutschen Monitoring-Stelle argumentieren dort primär entwicklungspsychologisch oder bildungsethisch.

Inklusion in die Landesverfassung?
Die Landesregierung des Freistaates Thüringen möchte den Satz „Inklusion ist ein Menschenrecht“ sowie die Forderung nach „umfassender Umsetzung“ der BRK in die Landesverfassung aufnehmen. Dabei würde der ohnehin gebotene „besondere Schutz“ behinderter Schüler nicht erfordern, die Verfassung zu erweitern, sondern tatsächliche sonderpädagogische Ressourcen zu erhöhen. Stellungnahmen dazu

10 Jahre Behindertenrechtskonvention in Deutschland

♦  taz bedauert: „Revolutionspotenzial verschenkt“ (20.3.2019)

♦ „Institut für Menschenrechte – Inklusion vorerst gescheitert“ (dradio 20.3.2019)

♦ Waldorfschulen: „Förderschulen sind Teil eines Bildungskontinuums“ (Erklärung)

Klage gegen Inklusion am Gymnasium gescheitert – aber nur aus formalen Gründen …

Die Leiterin eines bremischen Gymnasiums hatte sich gegen die Weisung der Schulaufsicht gewehrt, die Beschulung von Schülern mit bestimmtem sonderpädagogischem Förderbedarf (W+E-Schüler) in einem inklusiven Klassenverband an ihrer Schule zu ermöglichen.
Dieses Vorgehen wurde zwar von extremen Exponenten als menschenverachtend angesehen, überwiegend wurde aber auf Mut gepaart mit Menschenverstand erkannt …     Klärung
Das VG Bremen hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin nicht klagebefugt sei (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 1 K 762/18, Kurzfassung, juristischer Kommentar). Beamte könnten lediglich verwaltungsintern auf Bedenken gegen die Recht- und Zweckmäßigkeit angeordneter Maßnahmen hinweisen (sogenannte Remonstration, vgl. Artikel weiter unten).
Die Schulleiterin hatte schon früh darauf hingewiesen, dass sowohl das Raumangebot wie auch die pädagogische Expertise an ihrer Schule eine inklusive Beschulung bislang unsinnig erscheinen ließen. In der mündlichen Verhandlung zeigte sich dann, dass ohnehin nur an weitgehende Parallelbeschulung der Förderkinder gedacht war. Auch diese kam dann aber mangels sonderpädagogischen Personals vorläufig nicht zustande.
Im übrigen ist sogar der leidenschaftliche Inklusionsbefürworter Hans Wocken der Auffassung, dass sich die BRK zwar gegen eine Sonderschulpflicht, aber nicht für ein Gymnasialbesuchsrecht ausspricht.


Hohe Hürden sinnvoll? Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf ohne Elternantrag

In NRW reicht ggf. selbst ein schulärztliches Gutachten nicht aus, um Förderbedarf ESE ohne elterliche Zustimmung festzustellen – es muss Selbst- oder Fremdgefährdung oder eine ähnlich schwerwiegende und durchgreifende Störung vorliegen … so das VG Minden (Az 8 K 1128/16).   mehr (S.14)


Realistisch, sinnvoll, konventionskonform: ein dual-inklusives Schulsystem …

Wenn es der Gesellschaft ernst damit ist, die Entwicklungsbedürfnisse aller Kinder zu wahren – solcher mit Beeinträchtigungen und solcher ohne -, kann dies am besten in einem dynamischen Zusammenwirken von Regel- und Förderschul(klass)en stattfinden; das wäre dann in zweifacher Weise inkludierend, d.h. förderliches Aufgehobensein schaffend – so der Heil- und Sonderpädagoge Otto Speck.     Artikel VHN 3/2016     Artikel vds 4/2018


Elternrechte unbemerkt aushebeln?

Befürworter einer full inclusion versuchen derzeit, das elterliche Wahlrecht hinsichtlich Regel- oder Förderschulbesuch zu unterminieren bzw. auszuhebeln. Angeblich verbiete der „General Comment Nr. 4“ des zuständigen UN-Fachausschusses zur UN-BRK vom 2.9.2016 ein solches Wahlrecht – und er gebiete die Abschaffung der Förderschulen.
Tatsächlich besitzen diese „Allgemeinen Bemerkungen“ keinerlei Rechtsverbindlichkeit, und weder die Mitglieder des UN-Fachausschusses noch die der deutschen Monitoring-Stelle argumentieren primär entwicklungspsychologisch oder bildungsethisch.
Deutschland hat o.g. Kommentar denn auch offiziell widersprochen (german statement). Die de facto maßgebliche UN-Konvention selbst fordert nämlich weder die Abschaffung spezifischer Förderinstitutionen noch eine Erosion des Elternwahlrechts, sondern lediglich freie Zugangsmöglichkeit für alle behinderten Kinder zum allgemeinen Schulsystem – sowie die Orientierung aller diesbezüglichen Maßnahmen am individuellen Wohl des Kindes.
Ganz allgemein gilt außerdem Resolution 1386 (IV), beschlossen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. 11.1959: „Das Kind, das körperlich, geistig oder sozial behindert ist, erhält die besondere Behandlung, Erziehung und Fürsorge, die seine besondere Lage erfordert.“ (Artikel 5)
Im Übrigen ist neben der BRK nach wie vor auch die KRK zu beachten, die UN-Konvention über die Rechte des Kindes von 1959 – sie besagt u.a.:
# Artikel 5 – Respektierung des Elternrechts: Die Vertragsstaaten achten die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern (…), das Kind bei der Ausübung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen.
# Artikel 18 – Verantwortung für das Kindeswohl: (…) Für die Erziehung und Entwicklung des Kindes sind in erster Linie die Eltern oder gegebenenfalls der Vormund verantwortlich. Dabei ist das Wohl des Kindes ihr Grundanliegen.

700 Seiten Kritik an der Praxis der Inklusion – aus rechtlicher Sicht

In seinem Ruhestand hat Ex-Bildungsstaatssekretär Hansgünter Lang eine umfassende Doktorarbeit über die Inklusion im Saarland geschrieben. Bei der Umsetzung sieht er gravierende Probleme.

Besprechung Tagespresse     Rezension socialnet    Vorstellung Lehrerverband   Rezension Prof. Ahrbeck


Anspruch auf Zuweisung zur Förderschule Lernen

# Inklusionspraxis kann das UN-Gebot der Orientierung am Kindeswohl verletzen
2014 von Niedersächsischem OVG bestätigt      Details     Bezug zur Situation in Hamburg 2015

# lt. Avenarius, H. und Füssel, H.P., in „Schulrecht“ (2010): Nach Art. 7 Abs. 2 BRK „ist bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, das Kindeswohl ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Daraus ergibt sich, dass im konkreten Fall die Zuweisung zu einer Förderschule auch nach den Regeln der Konvention geboten sein kann.


Remonstration – eigentlich eine Pflicht …

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Lehrer(innen) auf Grund ihrer persönlichen Verantwortung unverzüglich bei der Schulleitung als unmittelbarem/-barer Vorgesetzten geltend zu machen.
Wird die Anordnung aufrechterhalten, können die Beamt(inn)en sich an die nächsthöhere Vorgesetzte wenden (z.B. Bezirksregierung). Bestätigt diese die Anordnung, müssen die Beschwerdeführer(innen) sie ausführen, es sei denn, sie ist erkennbar ordnungswidrig oder strafbar oder verletzt die Würde des Menschen. Lehrer(innen) sind dann aber von eigener Verantwortung befreit.
Die Bestätigung einer Anordnung durch die Vorgesetzte muss auf Wunsch schriftlich erfolgen.

Grundlage: § 36BeamtSTG

Musterschreiben:
Remonstration im Falle der Übertragung inklusiven Unterrichts bei fehlenden Voraussetzungen